Liliano Frattini aus dem Studio in Rom:
Restitution eines grossen Künstlers an die
europäische Kultur: Dies ist Sinn und Zweck der laufenden
Retrospektive über den Maler Christian Hess in Palermo. Die
Initiatoren - das Institut für Deutsche Kultur und die Region
Sizilien – bestehen darauf, dass diese kulturelle Bereicherung von
der Insel aus beginnt, wo der südtiroler Künstler lange Zeit gelebt
hat und die er wie eine zweite Heimat liebte. Über die Retrospektive
des Christian Hess berichtet nun aus Palermo Giovanni Campolmi:
Christian Hess gehört ohne Zweifel zu den weniger
bekannten, aber sicherlich zu den interessantesten Persönlichkeiten
der Deutschen Kunst der Zwischenkriegszeit. Tragisch verstarb er
49jährig in den letzten Kriegsmonaten - leider viel zu jung, um sich
zu Lebzeiten wirklich vollständig entfalten zu können, im Gegensatz
zu anderen zeitgenössischen Künstlern, die dieselben Qualen und die
unermüdliche Suche der Freiheit mit ihm teilten.
Was uns bei Christian
Hess auffällt, ist diese Sehnsucht nach neuen
Erfahrungen, sein Leiden unter einem starren System
und einer unterdrückenden Gesellschaft, worauf er
mit stechender Ironie reagierte. Diese Unruhe und
das Streben nach Freiheit trieben ihn zu weiten
Reisen von Skandinavien bis nach Sizilien an.
Körperlich und geistig vom Ersten Weltkrieg
gezeichnet, schloss er sich in München der
“Juryfreien” an – eine Gruppe junger Künstler und
Bewegung des Expressionismus, an dessen
Kollektivausstellungen unter anderem auch Picasso,
Max Ernst, Beckmann, Severini und Paul Klee
teilnahmen. Es ist aber der Süden, mit seinem
mediterranen Licht, der seine Farben wiederbeleben
und aufleuchten lässt und dadurch seinen Ausdruck
dauerhaft prägt.
Eines der bekanntesten Wahrzeichen Messinas ist der
Neptun - den wir hier erkennen. Hess arbeitete dort
sehr intensiv und lernte dabei die mediterrane
Lebensweise kennen, die so wunderbar mit seiner
Liebe für das einfache Volk harmonierte. Gerade die
Landschaft und das Inselleben – wie Marcello
Venturoli in seiner Katalogspräsentation schreibt –
waren für Hess keine pittoresquen
Touristenattraktionen, sondern stellten eine
aussergewöhnliche Schule der Menschlichkeit, der
Ehre und Armut, Ausdruck der Leidenschaft für die
Enterbten, Achtung vor dem Leben dar. Das erklärt
wiederum, weshalb diese italienisch-europäische
Wanderausstellung in Sizilien ihren Anfang nimmt.
Professor Friedrich Schultz des Goethe Instituts ist
einer der engagiertesten Förderer des Nachlasses des
Christian Hess:
“Ja, das ungewöhnliche Licht des Südens war mit
Sicherheit eine ganz entscheidende Erfahrung. Die
Farben werden wärmer, ausgeglichener, einfacher.
Ohne Zweifel haben wir es hier mit einem grossen
Talent der Münchner Schule der 20er Jahre zu tun und
hier sehen wir einen Teil, ca. 60 Ölmalereien und
Aquarelle aus der Zeit zwischen 1922 und 1938. Und
ich glaube, er verschafft uns einen ersten Eindruck
der Arbeit dieses unbekannten Künstlers. Mit Freude
präsentieren wir diesen Künstler erstmals dem
italienischen, sowie auch dem österreichischen und
deutschen Publikum.”
Mit der Wiedergewinnung des Christian Hess wird
die vor 30 Jahren unterbrochene Suche
wiederaufgenommen und die Forschung erfährt neue
nützliche Aspekte über eine düstere, aber zugleich
auch besondere Zeit der Kunstgeschichte. Seine
Unruhe, seine Traurigkeit und sein Pessimismus sind
vielleicht bittere Vorboten des grausamen Unglücks
des Zweiten Weltkrieges. Einen Krieg, den der
Künstler und Pacifist immer verabscheute und dessen
Schicksalsschläge ihm letztendlich zum Verhängnis
wurden.
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