Zur 
						Ausstellung des 1944 gestorbenen Tiroler Malers in der 
						Bozner Dominikanergalerie • Synthese aus Kunstströmungen 
						Mitteleuropas
						
						
						Bozen hat einen 
						verlorenen Sohn zu Gast, den Maler Christian Hess der 
						1895 hier in der historischen Laubengasse geboren ist  
						und von dem der Genauigkeit halber gesagt werden muss, 
						dass sein Vater aus Württemberg stammte und seine Mutter 
						Österreicherin war. Erstaunlich ist dass Sizilien den 
						nicht nur in der Heimat fast vergessenen Künstler 
						wiederentdeckt hat. Es waren sizilianische Kunstfreunde, 
						die in den letzten zwei Jahren Ölbilder und Zeichnungen 
						gesammelt haben, die Hess während seiner beiden 
						Sizilienaufenthalte in den Jahren 1925 und 1933 bis 1938 
						geschaffen hat. So ist es zu dieser 
						Informationsausstellung gekommen, die im letzten 
						Dezember in Palermo das unveröffentlichte Material zum 
						ersten Mal e dem Publikum zugänglich gemacht hat. Auf 
						ihrem Weg von Sizilien  über Bozen nach Turin und weiter 
						in die Schweiz und nach Österreich soll die Ausstellung 
						zur künstlerischen Wiedergeburt des Meisters beitragen. Freilich beleuchtet das 
						Kapitel Sizilien nur einen zeitlich und geographisch 
						begrenzten Abschnitt des Schaffens von Christian Hess. 
						Was der Künstler sonst noch auf seinen vielen Reisen 
						durch Europa und bei seinen verschiedenen Aufenthalten 
						in der Schweiz, in München und in Innsbruck gemalt und 
						geformt hat – Hess war auch als Bildhauer tätig -, ist 
						noch und bleibt vielleicht auch verschollen. Dennoch 
						geben die sizilianischen Arbeiten ein gutes Bild von 
						seinen künstlerischen Ambitionen und vom kulturellen 
						Milieu, aus dem er sich seine Anregungen geholt hat. So 
						spürt man hinter den südländischen Kulissen seiner 
						sizilianischen Landschaft –und Menschenbilder, dass er 
						die verschiedenen Formprobleme durchexerziert hat, mit 
						denen er sich im vielschichtigen Münchner Kunstbetriebe 
						zur Zeit zwischen den beiden Weltkriegen konfrontiert 
						gesehen hat.
						Die frühen Landschaften aus dem Jahre 1925 sind deutlich 
						von der vehementen Farbigkeit der expressionistischen 
						Optik geprägt. Zehn Jahre später erscheint der Ausdruck 
						einer neuen Wirklichkeitsnähe untergeordnet. Zugleich 
						sind Farbflächen und Konturen zu Bausteinen von  klaren, 
						beinahe dekorativ geordneten Bildflächen geworden. Bei 
						diesem Stil - Wandel hat zweifellos die Begegnung des 
						Malers mit dem Maß und Gesetz der klassischen Kunst mit 
						der  “Pittura Metafisica“ eines De Chirico und nicht 
						zuletzt seine Begegnung mit den konstruktiven 
						Gestaltungsprinzipien des Kubismus eine große Rolle 
						gespielt. Nicht zu übersehen in diesem sizilianischen 
						Bildvokabular der dreißiger Jahre ist auch die 
						Bekanntschaft des Künstlers mit Max Beckmann, dem großen 
						Realisten der Zwischenkriegsjahre.
						
						Doch anders als 
						Beckmann scheint der Maler Hess kein engagierter 
						Revolutionär und kein lautstarker Avantgardist gewesen 
						zu sein. Die kulturellen Spannungen und Kontrasteseiner 
						Zeit haben zumindest in  den vorliegenden sizilianischen 
						Arbeiten keinen Niederschlag gefunden. Und das obwohl 
						Hess selbst Mitglied einer der vielen avantgardistischen 
						Künstlervereinigung Münchens gewesen ist, obwohl er als 
						Untergrundmaler mit dem Kulturrevolution des Dritten 
						Reiches in Konflikt geraten ist und sich in den 
						Kriegsjahren mehr schlecht als recht durchschlagen 
						musste.1944 ist er in Innsbruck an den Folgen eines 
						Bombenangriffs gestorben.
						Aus dem einseitigen Blickwinkel des Kapitels Sizilien 
						betrachtet, gibt Christian Hess den Eindruck eines 
						kultivierten  Malers, der es verstanden hat, eine 
						Synthese aus den verschiedenen mitteleuropäischen  
						Kunstströmungen seiner Zeit zu ziehen. Deshalb wird der 
						Künstler heute von den Organisatoren dieser Ausstellung 
						dem Publikum als „Europäer“ vorgestellt, und deshalb 
						haben wohl auch das Goethe Institut und da 
						Europaparlament die Schutzherrschaft über diese 
						Ausstellung übernommen.
						Eva 
						Kreuzer