Das Exil |
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Die Nachforschungen über den mysteriösen Großbrand im Münchner Glaspalast im Sommer 1931 ergaben ziemlich schnell das Ergebnis der vorsätzlichen Brandstiftung. Man konnte zwar die Schuldigen nicht ausfindig machen, aber es war nicht besonders schwierig zu erahnen, wer wohl das Feuer gelegt hatte – zumal Brandstiftung zu den typischen Einschüchterungsmethoden der Nazis gehörte. Die Zerstörung des Glaspalastes musste somit als deutliches Signal der blutrünstigen SA gegen die freie Künstlergruppe „Juryfreie“ verstanden werden. Kurz darauf wurden die „Juryfreien“ des Bolschewismus beschuldigt, das Naziregime kündigte die Auflösung und Verbannung der Gruppe an. Christian Hess – Gründer und Mitglied der Gruppe – sah sich zur Flucht aus seiner geliebten Stadt gezwungen. Schweren Herzens verließ er München, kannte aber schon seinen nächsten Aufenthaltsort: Sizilien.
Oftmals hatte er schon die Familie seiner Schwester Emma besucht. Er kannte bereits die ehrliche Gastfreundschaft der Bewohner Siziliens – seine neue Heimat während des Exils. Diesmal waren es aber keine Ferien, sondern eine Zeit des Vermissens. Es fehlten ihm seine Freunde, sowie auch seine künstlerischen Wurzeln und „sein Bayern“. Die Erinnerungen an seine erfolgreichen Ausstellungen waren allgegenwärtig, aber leider auch der unerträgliche Gestank seiner verbrannten Arbeiten. Hess lebte nun in Messina, im Haus seines Schwagers Guglielmo Starrentino, Emmas Ehemann. Zuerst am Ufer der Strasse von Messina („Stretto di Messina“), dann in Mili Marina und zuletzt in „Casa Preggi“, in einer kleinen Villa in Tremestieri an der jonischen Küste. Das Appartement mit 2 Etagen hatte er ganz für sich alleine und befand sich in der Nähe der neuen Wohnung der Schwester.
Wir schreiben das Jahr 1933, Albert Einstein verlässt Deutschland und flieht vor der Judenverfolgung in die USA. Wäre Hess in München geblieben, hätte er nur im Verborgenen malen können. In Sizilien fand er seine Freiheit wieder und erlebte eine künstlerisch sehr ertragreiche Zeit der naturalistischen und menschlichen Inspiration. Seine Malerei wurde zu einem wichtigen Bestandteil des Wiederaufbaus der Stadt am „Stretto“ (Meeresenge). Im selben Jahr wurden der berühmte wuchtige Kirchturm des Doms und die Madonnenstatue am Hafen eingeweiht– sie wurde damals von Gulielmo Marconi mittels Fernbedienung beleuchtet. Zur Fröhlichkeit und Wärme des Insellebens kam für Hess noch ein weiteres freudiges Ereignis hinzu: Cecile Faesy, Theologin mit luteranischer Prägung, streng gläubig, Expertin der Bibel und der Kunst, schrieb ihm leidenschaftliche Briefe aus der Schweiz. Die Bewunderung für seine Arbeit brachte sie dazu, schon seit einiger Zeit den Verkauf seiner Bilder in Luzern und Zürich zu fördern. Hess war geschmeichelt, erinnerte sich aber daran, dass sie ihm während eines Konzertes in der Schweiz von seiner Freundin Marya Neitzel - Sängerin bei Radio München - vorgestellt wurde. Die Beziehung war schon etwas abgeklungen, Cecile wusste dies und zog alle Register, um ihm Trost während seines Exils zu spenden. Eine früh gescheiterte Ehe Auf Einladung Hess’ reiste sie 1934 nach Sizilien. Die aufblühende Liebe wird mit einer kirchlichen Eheschließung besiegelt. Cecile überzeugte ihn, mit in die Schweiz zu fahren. Anstatt bei seiner Schwester und ihrer Familie konnte er ja auch in der neutralen Schweiz mit seiner Ehefrau im freiwilligen Exil leben. Jedoch in Luzern konnte er nur begrenzt seiner Arbeit nachgehen. Freunde helfen ihm, einige Bilder zu verkaufen. Er fertigte Marionettenköpfe an und versuchte sich als Theaterregisseur und Bühnenbildner. Trotz allem verdiente er zu wenig. Man muß auch dazu sagen, dass sich die Schweizer damals den Deutschen gegenüber ziemlich feindselig und argwöhnisch verhielten, nachdem Hermann Göring die Eidgenossenschaft anklagte, „jüdisch“ oder gar „verkauft“ zu sein, und als Folge Schweizer Zeitungen aus dem Deutschen Reich verbannte.
Als Reaktion schloss die Schweiz ihrerseits deutsche Zeitungen aus und beendete die Ausstrahlung deutscher Radiosendungen. Eines Morgens entdeckten Hess und Cecile ein gezeichnetes Hakenkreuz unter einem Fenster ihrer Wohnung. Nachdem beide deutsche Staatsbürger waren (Cecile durch die Eheschließung), gingen sie von einer eindeutigen Warnung aus. Sie kehrten nach Sizilien zurück und nahmen ihre Möbel und Bilder mit. Für den Maler und Flüchtling wurde Messina wiederum zu einem Ort, wo er noch Frieden finden konnte, weit ab vom Krieg entfernt. Ein Ort des freien Arbeitens, inmitten der Natur und einfacher, freundlicher Menschen, eingetaucht im warmen Licht des Südens. Plötzlich zerbrach jedoch die Idylle. Cecile konnte sich auch nach einigen Monaten nicht an das Leben im Exil gewöhnen. Nervös ging sie den blütenreichen Garten auf und ab, die „Confessioni di Sant’Agostino“ lesend, während in der Küche der Reis anbrannte. Der Alltag und die Inselgewohnheiten machte ihr zu schaffen. Die Lebensart war ihr zu fremd, sie wollte weg.
Die Ehe wurde zur
negativen Erfahrung. Als Cecile in die Schweiz zurückkehrte, fiel Hess
in eine tiefe Depression. Er spürte den Zusammenbruch seines
Lebenstraums. Bedauerlicherweise drang der Krieg auch nach Italien vor
und auch in Sizilien blieb man nicht verschont. Er studierte neue
Techniken, aber es gelang ihm nicht, wie gewohnt zu arbeiten. Eine tiefe
persönliche Krise brachte ihn bis zum Selbstmordversuch, doch seine
Schwester stütze ihn und er fand wieder seine Lebenslust. 1938 kehrte er
in die Schweiz zurück, wo er bei seinem Freund Jurg Spiller in Liestal
wohnen konnte. Heimlich unterrichtete er Malerei. Die
Aufenthaltsgenehmigung wurde ihm von den schweizer Behörden verweigert.
Er ging zurück nach Deutschland, wo mittlerweile Kunst und Kultur unter
der totalen Kontrolle des Regimes standen. Weder Sizilien noch die
Schweiz konnten ihm noch Schutz bieten. Er durchlebte seine schwersten
Jahre: ständiger Wechsel zwischen Bayern und Tirol, lebte in Armut und
musste auf vieles verzichten, Aufenthalte in den Sanatorien, das
Verschlimmern der Tuberkulose und letztendlich der Tod nach einer
Bombenattacke über Innsbruck. Er starb am 26. November 1944, im Schwazer
Krankenhaus. Einen Monat später wäre er 49 Jahre alt geworden. |