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Innsbruck 1917
Fünfzehnjährige Emma Hess |
Emma hing sehr
an ihrem sieben Jahre älteren Bruder. Beide stammen
ursprünglich aus Bozen, sie waren die einzigen
Überlebenden einer sechsköpfigen Familie, die in weniger
als zehn Jahren, zwischen 1905 und 1917 vier
Familienmitglieder verlor. Alle wurden Opfer der
Schwindsucht, eine weit verbreitete Krankheit in dieser
Epoche. Leider trugen die Gegebenheiten dazu bei, dass
sich Bruder und Schwester nicht häufig sahen. Der erste
Weltkrieg hatte sie getrennt, er an der französischen
Front, sie mit der Tante Anna in Innsbruck, aber ihre
starke Beziehung hielt allen ungünstigen Umständen
stand.
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Emma
Kindermädchen |
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Emma zog mit der
Familie Zuffo, Geschäftsinhaber der
gleichnamigen Firma für Import und Export mit
Büros in Tirol und Sizilien,1923 nach Messina.
Neben der Tätigkeit als Kindermädchen arbeitete
sie auch als Übersetzerin für die Firma, in der
Sie Geschäftsbriefe übersetzte. Hier sehen wir
sie als Einundzwanzigjährige während sie mit den
Kindern der Familie Zuffo durch die Straßen von
Messina spaziert. Die Stadt an der Meeresenge
spiegelt noch 15 Jahre nach dem Erdbeben
deutliche Spuren der hinterlassenen Schäden auf.
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Mit
sechzehn Jahren wusste Emma immer noch nicht, wie sie
ihren Bruder nennen sollte, denn von den drei Namen, die
ihm seine Eltern gegeben hatten, Alois, Dominikus,
Anton, schaffte er es gerade mal den ersten zu
akzeptieren aber auch nur etwas verändert, Louis. Die
Verlegenheit Emmas wuchs, als ihr Bruder von der Front
eine Postkarte schickte, die er mit seinem Künstlernamen
Christl unterschrieben hatte. Sie wollte es ihm recht
machen und adressierte die Post an den neuen Namen.
Kurze Zeit später wurde sein Künstlername: Christian, da
entschied Emma ihn familiär Louis zu nennen. Dieser Name
wurde in seiner Zeit in Sizilien zu Luigi, ganz
italienisch. Emma beendete ihre Ausbildung in der
Staatsgewerbeschule von Innsbruck, die gleiche
Kunstschule, die der Bruder einige Jahre zuvor besucht
hatte. Sie zeichnete sich im Malen und Italienische aus,
Fächer die ihr jedoch keine schnelle Arbeitsmöglichkeit
boten. Für kurze Zeit fand sie eine Stelle im
Militärstützpunkt, in Innsbruck, dann lernte sie
Stenografie und erzielte ein Diplom als gelernte
Friseuse. Um jedoch Geld zu verdienen, blieb ihr nichts
anderes übrig als aus Tirol nach Sizilien zu ziehen um
als Kindermädchen zu arbeiten.
Erste Mutterschaft |
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Messina 1929 – Erste Mutterschaft für Emma, die
ihre Tochter Luisa im Arm hält, während Onkel
Luigi auf die Geburt seiner Nicht anstößt, indem
er ein Glas Rotwein hochhält. An dem Prost
scheinen auch die beiden Figuren im Hintergrund
auf dem Fresco, teilzunehmen.
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Nachdem sie in die Gunst der Familie Zuffo getreten war,
die eine Import und Export Firma zwischen Tirol und
Sizilien besaß, akzeptierte sie nach Messina zu ziehen.
Emma hatte ihren Bruder sehr gern, doch noch größer war
ihre Liebe für seine Kunst, die Hoffnung in seiner Nähe
zu bleiben, war nur ein bescheidener Wunsch. Wenn schon
der Krieg sie getrennt hatte, so waren die Studien von
Hess an der Akademie in München ein weiterer Grund und
auch die Arbeit von Emma in Sizilien. Paradoxerweise
wird die Ächtung der Nazis der Kunst von Hess
gegenüber, die beiden Geschwister wieder näher bringen
gerade in der Zeit in der, der Maler in den Dreißiger
Jahren nach Sizilien ins Exil geht. Doch das Schicksal
wird sie dann während des zweiten Weltkrieges für immer
trennen. Messina hatte 1923 noch immer offene Wunden vom
großen Erdbeben im Jahre 1908. Die Anwesenheit von Emma,
muss den aufmerksamen Beobachtungen des jungen Händlers
Guglielmo , der die Geschäftsräume des Spediteurs oft
besuchte, wie eine Erscheinung vorgekommen sein. Die
hartnäckigen Bemühungen um die schöne Tirolerin mit den
blauen Augen wurden am Ende mit dem Gang zum Altar
belohnt. 1925 zogen Emma und Guglielmo in die Via
Palmara, wo der Maler die beiden auf der Insel besuchte
, um seine ersten Ferien hier zu verbringen.
Zwei
Gemälde zum 25.Geburtstag |

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Sommers 1927
während dem Aufenthalt in Messina, Hess
widmete seiner Schwester zwei Bilder zu
ihrem 25.Geburtstag.
In den beiden Gemälden sickert durch die
aufmerksame Bildkomposition die brüderliche
Zuneigung zur Schwester. Das Bild
beeindruckt durch die innere Gelassenheit
von Emma, verschleiert durch eine
Melancholie, der Rücken zum Balkon des
Hauses, nur angedeutet, und die farbliche
und bühnenbildnerisch Synthesis: der
Einblick in den Vorort auf der braunen Erde
und die Anhöhe, die zum Meer abfällt,
überdacht von einem Himmelsstreifen. Das
andere Bild “Blumen mit Früchten”, ein
spontaner Entwurf mit der Widmung “Meiner
lieben Schwester!” und der Unterschrift
“C. Hess 1927”, wurde in der Nacht auf den
30. August 1927 im Unwissen der Schwester,
vollendet, um der Schwester eine
Überraschung am Morgen ihres Geburtstages
vorzubereiten.
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Im
Dezember des gleichen Jahres, nachdem er in der
Bayerische Staatsbibliothek, das Buch von Casimir von
Chledowski “Die Menschen der Renaissance”, gesehen hatte
, stellt er sein Talent Lieder und Verse in
sizilianischem Dialekt zu verstehen, unter Beweis indem
er eine Strophe im Dialekt auf Art und Weise des Barcellona Pozzo di Gotto, in der Provinz von Messina
,für seinen Schwager schreibt:
A la Barcillunisa
Caru cugnatu, la facisti lesta
vi la purtastu la suruzza mia
vi la purtastu pulita e onesta
chi poti stari ‘nta na signoria.
( Lieber Schwager, in
Windeseile / habt ihr meine Schwester fortgeführt /
fortgeführt ehrlich und fein, meine kleine Schwester /
sie passt wohl gut in ein angesehenes Haus ).
Luigi hielt viel auf
seine Schwester, sie war seine Vertraute, verstand seine
Unruhe und wusste ihn, in schweren Momenten zu
unterstützen. Besonders während seines sizilianischen
Exil und noch mehr nach der seiner enttäuschenden
Verzweiflung. Als er plötzlich den Traum einer Zuflucht
zu einer Frau, weit weg von politischer Verfolgung
ausgeträumt hatte und völlig verzweifelt war. Nur mit
der Unterstützung von Emma kam er wieder auf die Beine.
Sie gab ihm die Kraft ein neues Exil in der Schweiz zu
suchen. In dieser Zeit vertraute der Maler seine Bilder
seiner Schwester an, die sie mit peinlicher Sorgfalt
unter ihre Obhut nahm.
Zu dem Einsatz zum Schutz der
Kunstwerksammlung des Bruders wurde schon im Kapitel
“Grazie Emma!” gesprochen. Zu zitieren sind auch die
zahlreichen Schwierigkeiten, die sich durch die häufigen
Umzüge ergaben, einige aufgrund von Kriegsgeschehnisse:
der erste Umzug erfolgte 1937 in der selben Tremestieri
vom Haus Preggi zum Haus Chemi bis zum Ende des Sommers
im Jahr 1940, als Italien in den Krieg trat. Im Herbst
1940 wurden die Bilder nach Messina in die Via Mario
Reitano Spadafora
gebracht und im Sommer 1942, um sie vor den
Luftangriffen zu schützen, wurden sie nach Alì Marina
gebracht, wo sie bis zum Abzug der deutschen Truppen und
der Ankunft der Britisch-Amerikanischen Truppen,
blieben.
Mit dem Kunstkritiker Eckstein |
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Messina Sommer
1972- Emma und deren Tochter unterhalten sich
mit dem deutschen Kunstkritiker Hans Eckstein,
der aus München nach Messina angereist ist, um
die Bilder von Hess zu sehen. |
Emma die, die Werke vor den Bomben
rettete, muss zudem anerkannt werden, diese auch nach
dem Krieg während den zahlreichen Umzügen geschützt zu
haben. 1945 wurden die Bilder immer in Messina in das
Haus in Via Borelli gebracht, danach ging es in die Via
Simeto, 1956 immer in Messina, wurde eine Gruppe von
Bildern in den Sälen des Institutes Verona Trento
ausgestellt. Zwei Jahre später zog die Familie von Emma
in die Via Napoli, 1960 war es die Piazza Annibale di
Francia, im Jahr 1962 in die Via Bixio und 1963 gingen
die Werke ins Haus in der Via Simeto zurück. 1971 wurden
diese nach Rom zur Restaurierung gebracht, in Hinblick
auf die Wiederentdeckungsausstellung. Einmal nach
Messina zurückgekehrt wurden die Bilder an die hellen
Wände des neuen Hauses, in der Spianata Cappuccini, wie
in einer Gemäldegalerie ausgestellt.
Und hier, bevor das Herz von Emma
aufhörte zu schlagen, konnte sie die Kunst ihres Bruders
mit einer Gruppe von deutschen Journalisten und einer
Reihe wichtiger Personen der europäischen Kulturszene,
insbesondere mit dem Kritiker Hans Eckstein, teilen.
Eckstein hatte Hess, in den Dreißiger Jahren in München
kennen gelernt und mit Marcello Venturoli, Texte für den
Katalog von Leonardo Sciascia geschrieben. Für Emma
stellten diese Treffen eine Vorgeschmack auf dessen dar,
was dann in der Ausstellung der Wiederentdeckung
realisiert wurde. Die Ausstellung zum Dreißigsten
Todestages des Künstlers, mit dem Beitrag der Stadt
Palermo, die so den deutschen Künstler ehren wollte, der
Sizilien liebte, wanderte dann durch Italien, Österreich
und gelang so nach Deutschland. Noch heute ist das Echo
von Emma zu hören. Eine Botschaft die sich die
Kulturvereinigung Christian Hess zu eigen gemacht hat.
Die Gedichte von Grossmutter Emma
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