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Einer der Säle des Münchner Glaspalastes, wo die jungen
Künstler der “Juryfreien” ausstellten |
Im Jahre1929
wird Louis Christian Hess Mitglied der Künstlervereinigung „Juryfreie“,
rasch steigert sich seine Leidenschaft und er nimmt an den gemeinsamen
Ausstellungen im Glaspalast in der rinzregentenstrasse teil, um die
Arbeit der Gruppe – wie Konzerte, Faschingsfeste, Tagungen – zu fördern.
Die Philosophie, welche die „Juryfreie“ in den 20er Jahren bis 1933
geprägt hat, beschreibt der deutsche Kritiker
Hans Eckstein
(er kannte den Künstler persönlich) im Christian Hess – Katalog (Palermo
1974) in seiner Abhandlung folgendermaßen:
“…So hat eine kleine
Künstlerschar, die sich in einem Verband der Juryfreien zusammengefunden
hatte, ihre Kameradschaft als einen Kampfbund gegen die Macht der
alteingessenen Künstlerschaft verstanden und sich gewiss revolutionärer
gefühlt, als sie es tatsächlich war… Die wenigen, in den Ausstlellungen
getätigten Ankäufe vermochten die Kosten nicht zu decken“.
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München 1929 – Künstler der “Juryfreien” auf einem
Faschingsfest.
Christian Hess trinkt Bier aus der Flasche |
1931 greift die SA vermehrt
massiv die politischen Gegner Hitlers an, um seinen Machtaufstieg zu
beschleunigen.
Im Visier hatten sie Historiker, Schriftsteller, Künstler jeder
Ausrichtung - insbesondere Vertreter der figurativen Kunst. Der
Nationalsozialismus war sich der starken Wirkung und Faszination von
Bildern auf Menschen bewußt und setzte dieses Wissen bei der
Propagandaerstellung gezielt ein. Alles was nicht der Nazi-ideologie
entsprach verschwand.
Die Bewegungen der
Modernen Kunst wurden sofort als „korrupt“ und „entartet“ bezeichnet,
abstrakte Maler
und Expressionisten wurden der Antipro-paganda beschuldigt, die eine
Rückkehr Deutschlands an die Macht in Europa verhinderten. Sie
„beschmutzten“ die Reinheit und den Geist der deutschen Rasse.
Laut Hitler, der sich selbst als Künstler
bezeichnete, waren der unverhältnis-mäßige Gebrauch von Farben und
Motiven eine „Verzerrung“ der Natur.
„All
dieses künstlerische und kulturelle Getue der Kubisten, Futuristen und
Dadaisten“
– stellte er fest –
„
ist weder gesund für die Rasse noch
politisch vertretbar.“
Die
Schlägereien der Braunhemden
Die
“Juryfreie” wurde als eine der ersten Bewegungen kontrolliert. Vier
Mitglieder und zugleich Teilnehmer einer Kundgebung, wurden im März
1933 von der SA ins Visier genommen.
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Christian Hess (1895-1944) |
Adolf Hartmann (1900-1972) |
Wolf Panizza (1904) |
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Hitlers Sturmabteilung SA |
Ein
Plakat der SA: eine paramilitäre Einheit des
Nationalsozialismus, 1921 als Leibwache und Ordnungshüter
der Partei Hitlers gegründet.
Zwischen 1930 und 1933 immer wieder in blutigen
Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern verwickelt. An
die Macht keinen gelangt, zögert Hitler Augenblick und
bezeichnet die Führung der SA als unverläßlich,
einschließlich das Oberhaupt Ernest Röhm. Sie wurden von der
SS in der sog. “Nacht der langen Messer” eliminiert – ein
Gemetzel, das vom 30.
Juni bis
2. Juli andauerte. |
Während einer Versammlung des “Kampfbundes für deutsche Kultur”
wurden die Maler Chrisitan Hess, Adolf Hartmann, Wolf Panizza und
Günther Grassmann (beide blutig geschlagen) aus dem Saal entfernt.
Hess beschreibt das Ereignis in einem Brief an seine Schwester Emma
(Messina):
“Während einer Konferenz über Moderne Kunst
vor ein paar Tagen haben wir eine Protestkundgebung organisiert.
Hartmann und ich sind als erste aus dem Saal geflogen, die beiden
anderen Kollegen wurden zusammengeschlagen.” In weiteren
Briefen schreibt Hess….”habe oft mit dem
Gesetz zu tun, bin als Zeuge vorgeladen”… und
“die gesamte politische Lage ist turbulent
und man kann kein vernünftiges Wort mehr sagen, ohne dass man nicht
sofort mit Poltik in Verbindung gebracht wird – ob man will oder
nicht.
Wie gerne wäre ich jetzt in Sizilien und hörte nichts von alledem.”
Von
nun an werden die Künstler der “Juryfreien” verfolgt und geächtet.
Nur drei Monate später brannte der Glaspalast in der
Prinzregentenstrasse, die Ursache war Brandstiftung. Neben dem
Gebäude selbst wurden mehr als tausend Bilder und Skulpturen
zerstört. Es verbrannten unter anderem auch Werke aus dem frühen 19.
Jhd. von Künstlern wie Caspar David Friedrich, Karl Blechen und
Philipp Otto Runge, vom Österreicher Moritz von Schwind und
Piemontesen Felice Casorati. Nur 80 Werke wurden aus den Flammen
gerettet. Von den Arbeiten der Künstler der “Juryfreien” blieb
nichts als Asche.
Hess erzählt in einem Brief an seine Schwester Emma:
“Ich habe den
Brand gesehen. Es was schrecklich, untätig dabei zusehen zu müssen.
Auch drei meiner besten Arbeiten (Triptychon “Am Wasser”)
sind verbrannt, ich habe ein halbes Jahr
lang umsonst gearbeitet, nichts war versichert, die Rahmen habe ich
noch nicht bezahlt…Das mittlere Werk ist im Katalog abgebildet…Jetzt
muss ich wieder von vorn beginnen und ich hab keine Farben mehr…
In
14 Tagen wird eine Not-Ausstellung stattfinden und meine Werke
müssen fertig sein”.
Zu seinem Schmerz über den
Verlust der verbrannten Bilder kommt noch die Angst vor der Zensur
der Nazis hinzu, die mittlerweile die freie Meinungsäußerung langsam
aber sicher ünterdrückten. 1933 ist die Lage unerträglich, die
“Juryfreie” wird auf Befehl aufgelöst.
Hess entscheidet sich für das Exil in Sizilien.
Der
Glaspalast in Flammen und “Juryrfreie” in der Verbannung
Der Glaspalast
nach dem Großbrand |
Hess: "Hier ruhen
meine verbrannten
Werke" |
Der
Brand vom 6. Juni 1931, der den Müncher Glaspalast und
tausende Kunstwerke vernichtet hatte, war ein
eindeutiges Zeichen der Unterbindung
der freien Meinungsäußerung und Unabhängigkeit der jungen
Künstler der “Juryfreien”. Trotz der hohen Verluste, welche
die Künstler hinnehmen mussten, wurde bald darauf eine
ausserordentliche Ausstellung im Deutschen Museum
organisiert. In den darauffolgenden zwei Jahren versuchte
die “Juryfreie” sich mit Wanderausstellungen und
Kulturinitiativen neu zu organisieren. Aber
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unmittelbar nach dem Karneval von
1933, im Hinblick auf die drohende Auflösung und Verbannung
der Bewegung, konnten die Initiativen nur mehr mit Müh und
Not durchgerungen werden.
Rechts: Eine Postkarte mit den Überresten des
Glaspalastes, die Hess seiner Schwester Emma nach Messina
schickte, mit folgendem Nachruf:
“Hier ruhen meine verbrannten Werke.” |
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Eine Aufsehen erregende Hess-Ausstellung
Ein
weiteres Zeitdokument der Bewegung “Juryfreie” wurde vom Maler Günther
Grassmann (1900 – 1993) im Februar 1977 herausgegeben. Zum Anlass der
abschliessenden Etappe der Wanderausstellung “der Rückkehr Hess’ ” im
Münchner Kunstverein sagte Grassmann:
Letzte
Karneval |
Das Poster, dass Hess für den
letzten Karneval der Juryfreien gestaltete. Ein Exemplar ist
im Stadt-Museum von München aufbewahrt. |
“In
meinem Leben habe ich Hess in den Jahren zwischen 1928 und 1933
getroffen, als wir Mitglieder der “Juryfreien” waren, die, sofern ich
mich erinnere, 1912 gegründet wurde.
1927 war es eine Vereinigung junger, gleichgesinnter
Künstler, die sich bewußt von der naturalistischen münchner
Tradition distanzierten. Christian Hess war, gemeinsam mit Joseph
Scharl, eine der wichtigsten Persönlichkeiten dieser Bewegung. Er
orientierte sich am damals viel diskutierten Max Beckmann. Die
großzügigen Galerieräume der “Juryfreien” befanden sich gegenüber
dem Haus der Kunst. Der insgesamt hohe Aufwand wurde damals
größtenteils von den Einnahmen der künstlerischen Karnevalsfeiern
finanziert, die von den Mitgliedern ausgestattet wurden – unter
ihnen auch Hess. Diese Feste wurden in den Galerieräumlichkeiten
abgehalten, wo auch Kollektivausstellungen der “Juryfreien” und
anderer Künstler stattfanden. Ich erinnere mich an eine Christian
Hess-Ausstellung, die viel Aufsehen erregte, bestehend aus 30 – 40
Arbeiten. Es hieß, Hess hätte die Bilder in nur wenigen Wochen
gemalt, was seiner impulsiven Art zu arbeiten absolut entsprach.
Die “Juryfreie” wurde 1933 von den Nazi
aufgelöst (sie beendete praktisch ihre Tätigkeit), sicherlich eine
Antwort auf den Versuch der “Juryfreien” eine klare Position gegen
die Nazi-Politk und dessen Kultur einzunehmen
(und hier
Grassmann beziehet sich der Schlägerei mit Panizza zusammen von
den SA erlitten).
Danach habe ich Hess aus den Augen verloren”.
Unstimmigkeiten innerhalb der Bewegung
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Der deutsche Bildhauer Karl Röhring, Leiter der Gruppe
“Juryfreie”
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Die unruhige Stimmung, die sich
in den letzten Monaten innerhalb der Bewegung “Juryfreie”
ausbreitete, erfährt man im Brief vom Bildhauer Karl Röhrig (1886 –
1972) an Christian Hess, geschrieben am 13.
März 1934 in München. Hess lebt bereits in Sizilien,
an der jonischen Riviera Messinas.
Röhrig war einer der leitenden Persönlichkeiten der
Gruppe der “Juryfreien” (vielleicht Sekretär oder Schatzmeister). Zu
Beginn schreibt er: “Lieber
Hess! Endlich kann ich ein paar persönliche Zeilen an die
Neuigkeiten der “Juryfreien” anhängen. Dein Brief vom 17. Januar
1934 hat uns erreicht und es freut uns zu erfahren, dass es Dir in
Deiner derzeitigen Lage gut ergeht.” Und weiter:
“Am 22. d.M. findet die Generalversammlung
statt, wo die Bombe platzen wird und ich bitte Dich, Deine Meinung
so schnell als möglich der Generalversammlung mitzuteilen.”
Der Brief fährt dann mit der Schilderung der internen
politischen und finanziellen Unstimmigkeiten der Gruppe fort. Die
Mehrheit fordert eine Aufteilung des Kassenbestandes, ca. drei
tausend Mark, angesichts der drohenden Auflösung und Verbannung von
Seiten der Machthaber. Tief in seinem Herzen hoffte Röhrig zwar noch
auf eine Rettung der Gruppe, doch das Schicksal der jungen
“juryfreien” Künstler war schon besiegelt. Das Regime hatte
beschlossen, jede Spur von Sehnsucht nach Unabhängigkeit und
Meinungsfreiheit zu vernichten, was schon seit dem Frühjahr 1933 im
Gange war.
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Das monumentale Haus der Kunst: eines der Lieblingsgebäude
Hitlers, 1937 in München auf die Asche des Glaspalastes
gebaut. |
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