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Christian Hess und Marya Neitzel 1925 |
Sie lernten sich im Herbst
1925 in München, während eines Konzertes kennen. Der
Funken, der die Gefühle von Hess entflammte, trug
die Luft mit sich durchtränkt mit dem Zauber von
“Orfeo und Euridice” von Gluck, die Mezzosopran
Marya Neitzel färbte mit ihrem warmen Akzent die
Interpretation mit ihrer Ausdrucksstärke. Vom Gesang
getragen, von der intimen Verbindung der Musik mit
der Poesie, typisch für die Werke von Gluck, wurde
der Maler sofort im tiefsten seiner Sensibilität
getroffen, begeistert auch von der lieblichen und so
weiblichen Figur. Es ging somit ein Zusammentreffen
von zwei Talenten einher, die sich auf den ersten
Blick gefielen.
Hess war dermaßen
beeindruckt, dass er einige Wochen später , einen
Brief an seine Schwester schrieb, um sie teilhaben
zu lassen. Zu dieser Zeit teilte sich Hess mit
anderen drei Malern (Florian Bosch, Sigfried Kuhnel
und Konig) ein sehr kaltes und unordentliches
Atelier und äußerte sich verbittert: “…ich möchte
meine Freundin in einer hübschen und etwas sauberen
Umgebung empfangen. Sie ist die Witwe eines
Staatsfunktionärs und hat drei schöne Kinder, zur
Zeit ist sie Sängerin ohne Vertrag, sehr hübsch und
genauso groß wie ich. Jetzt ist sie in der Schweiz,
von wo aus sie mir viele Briefe schreibt. Wenn ich
genug Geld verdiene, werde ich im Frühling eine
Reise nach Italien machen und sie wird mit mir
kommen, natürlich auf ihre Kosten. Sie hilft mir in
vielen Dingen und sie kümmert sich sehr um mich,
etwas das ich brauche, da ich sowohl unverheiratet
bin und zudem auch noch ein unordentlich Maler
bin”.
Konzertstimme
von Radio München |
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Eine Brochüre der deutschen
Mezzosopran Marya Janke-Neitzel,
Konzertstimme des Bayerische
Rundfunk, anerkannte Darstellerin
eines umfangreichen Repertoire das
von den Liedern von Beethoven zu den
Kantaten von Telemann, zu den Opern
von “Orfeo ed Euridice” von Gluk und
“Arianna in Naxos” von R. Strauss
ging. Unter ihren Meistern befand
sich auch ihr Schwager Otto Neitzel,
berühmter Pianist und Komponist ,
Direktor eines Orchesters und
Musikkritiker. Applaudiert an der
Berliner Oper und in den
Solokonzerten, die sich in den
Zwanziger und Dreißiger Jahren, in
Theatern und Konzertsälen in
Deutschland, Österreich und in der
Schweiz, hielt. Sie erhielt überall
lobenden Zuspruch wie es in einigen
Kritiken
zu lesen ist.
Sie studierte auch Volksmusik und
war Verfasserin von Texten für
Aufführungen. Von den Seiten ihres
“Zwei gedruckte Notenhefte“ entstand
das Theaterstück für Kinder "Der
Schäferreigen", mit der Musik von
Alfred v. Beckerath (1962). |
In den
ersten Februartagen schreibt Hess seiner
Schwester “Ich bin im neuen Atelier in
der Schellingstrasse 46,vierter Stock, es
ist klein und eng aber bequem und kostet
wenig”. Ende Mai beichtet er: “Das
was mich hier hält, ist meine Freundin, die
an der Deutschen Oper von Berlin singt, ich
hoffe sie kehrt bald nach München, Ich
glaube fast, dass ich im Sommer nicht nach
Sizilien kommen kann”. Tatsächlich
schreibt er in einem Brief vom 26 Juli: “Ich
sitze im Wohnzimmer meiner Freundin, das
heißt ich wohne hier in der Amalienstrasse
14, erster Stock, alle Wände sind mit meinen
Bildern, Aquarellen Zeichnungen und Modellen
behangen. Es ist elegant und künstlerisch.
Ich hoffe für mich, das jetzt die guten
Zeiten für mich anfangen”. Dann am 21
August, teilt er seiner Schwester seine
ganze Freude mit: “In den letzten Wochen
habe ich entschieden, die Wohnung meiner
Freundin total neu zu gestalten. Sie wurde
poliert, gemalt und tapeziert…”
Hess fühlt sich
so wohl mit Marya und kommt gut mit den drei
Kindern aus, sodass er Teil der Familie werden
möchte. In den ersten Monaten des Jahres 1927 bittet
er Marya um ihre Hand, sie fühlt sich geschmeichelt,
kann aber aus finanziellen Gründen nicht annehmen,
da sie bei einer Heirat ihre Rente und die
finanzielle Unterstützung für ihre Kinder verliert.
Wie sollte man leben ohne dieses feste Einkommen?
Beide wissen genau wie viel Zeit es Bedarf ein Bild
zu verkaufen und dann das Geld in der Hand zu haben.
Er ist verbittert, er möchte nicht zur Last fallen,
braucht Zeit um nachzudenken und fährt nach
Sizilien, doch die Ferne verstärkt nur die Gefühle
für sie und er kehrt zu Marya zurück. Um an dem
Familieneinkommen teilzunehmen verkauft er seine
Bilder auf Raten, 100 Mark im Monat.
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Der Worthsee und die Landschaftsszene
der Zugspitze |
Die Verbindung
verwandelt sich bald in Familienharmonie, wie es aus
einem Brief im Herbst 1928 zu entnehmen ist, Hess
schreibt seiner Schwester: “Ich bin mit Marya und
den Kinder am Worthsee. Die Atmosphäre am See, mit
den Wolken, ist wunderschön. Ich sitze im Boot und
die Kinder rudern quer über den See. Auf der
Zugspitze, die man von weiten sieht, ungefähr auf
3000 Meter Höhe liegt die Temperatur unter Null
Grad. Alles duftet nach frischem Gras. Im Wald,
direkt hinter dem Haus, laufen Hasen, Hirsche und
Füchse und zwischen den Beinen fliegen Eulen. Marya
kümmert sich um alles mit Freude, würdig eines
Wunders: kocht, wäscht, macht die Betten, singt und
von neuem in der Küche und so weiter”
Und Marya fügt dem Brief hinzu: “Wir sitzen hier
auf unserer Veranda, wir sehen zwar nicht die
Meeresenge von Messina aber den Worthsee was
bezaubernd ist. Mit meinen vier Männern habe ich
einen Berg an Arbeiten zu erledigen, hier in der
Natur ist jedoch alles viel einfacher, aber es gibt
wenig Sonne". In den ersten Monaten des Jahres
1933 schreibt Hess aus München seiner Schwester
Emma: “Endlich habe ich von der Gemeine das Geld
für mein Bild bekommen, so konnte ich einen Teil der
Schulden bezahlen und habe noch 10 Mark übrig”.
Im gleichen Frühling wird Hess gerufen, das
Thermalbad in Bad Oeynhausen, in der Nähe von
Hannover mit Fresco Malereien zu verzieren, was ihm
2000 Mark einbringt. Am 4. Oktober schreibt er
seiner Schwester Emma“Liebe Schwester, dass Bild
von dem ich Dir sprach, habe ich für 1000 Mark in
der Schweiz, an Freunden des Händlers Karl Hofer,
auf Raten verkauft.
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Marya mit Hess und der Nichte
Luisa in Messina, Sommer 1930 |
Einige Jahre
später sieht sich Hess leider aufgrund der
politischen Spannungen gezwungen, München zu
verlassen. Schon im März 1931 schreibt er seiner
Schwester Emma: “Während eine Konferenz zur
Modernen Kunst haben wir einen Protest präsentiert.
Erst wurden Hartmann und ich aus dem Saal geworfen
und zwei weitere Kollegen wurden von der SA
geschlagen". Im folgenden Brief fügte er hinzu“…ich
habe viel mit dem Gesetz zu tun, muss aussagen... …
”und weiter“ …Die ganze politische Situation ist
turbulent, wie froh währe ich, mich in Sizilien zu
befinden und von dem hier alles nichts zu hören".
Im Sommer 1931 werden seine Bilder verbrannt,
zusammen mit tausend anderen Bildern, im mutwilligen
Brand des Glaspalastes, die Regierung dekretiert
bald die Auflösung der Juryfreie, da sie
bolschewistischer Natur sei. Die finanzielle
Situation in Deutschland ist kritisch. “In
Deutschland ist es mit der Malerei zu Ende -
schreibt Hess an seine Schwester - Schick mir
Kochrezepte, so werde ich Koch. Zum Glück habe ich
Freunde im Ausland und ich habe auch zwei Aquarelle
in der Schweiz verkauft”.
In einem Brief
vom 19. Juni 1932 schreibt Hess an Emma : “…Marya
leidet unter den ständigen Gesetzesänderungen, an
ständigen Kürzungen ihrer Rente. Das Kindergeld wird
mit 15 Jahren eingestellt, während die Ausgaben
steigen.......ich habe ein Bild verkauft, von dem
Betrag haben wir ein Drittel für das Essen
ausgegeben und zweidrittel für Kohle, die wir im
Winter brauchen”. Zu Leben wird für die
Mitglieder der Juryfreien immer Schwieriger aufgrund
der Zensur des Regimes. Hess erträgt die Situation
in München nicht mehr und möchte weg. Am 17. Juli
schreibt er Emma auf einer Postkarte: “In diesem
Moment habe ich eine Fahrkarte nach Messina gekauft.
Sie war teuer. Wenn ich das Visum bekomme, reise ich
heute oder morgen ab”. Eine Woche später
verabschiedet er sich von Marya und den Kindern und
zieht nach Sizilien, entschieden, dort eine lange
Zeit zu verbringen.
Die
Glückwunschkollage für den Geburtstag
Im
Frühling des Jahres 1934, als er im Exil, in Messina
lebte, kreierte Hess eine besondere Kollage auf ein
Papier um Marya seine Glückwünsche zu Geburtstag zu
machen. Er faltete das Blatt viermal, verschloss es
in einem Briefumschlag und schickte ihn zeitig nach
München ab, damit er am 24 April, zum 43.Geburtstag
von Marya ankam. Die Komposition spiegelte viele
gemeinsame Reisen und Erinnerungen wider, so der
Frühling in Sizilien, das süße Leben, die Liebe, die
Erfolge der Konzerte von Marya, die
Bachgesellschaft, die Aufführungen im Radio. Rings
um die Form einer Vase aus Stoff, sind verwelkte
Blumenblätter und kleine Äste verteilt zum großen
Teil aus Zeitungsausschnitten geformt, mit Sätzen,
die sich an die schöne, bildschöne deutsche Frau
richten, die mit ihrem Kosenamen genannt wird, ATA.
Und am Ende der Seite Glückwünsche- Glück- Beifall
vom Publikum, Erfolg und die besten Wünsche vom
Herrn Luigi (familiärer Rufname des Malers) neben
den Namen der Schwester Emma, des Schwagers
Guglielmo und den Nichten Luisa und Antonia. Mit der
freundlichen Genehmigung von Leonore Neitzel, wurde
die Kollage im Sommer 2008 in der wichtigen
Rückschau von Christian Hess im Rabalderhaus in
Schwaz, der österreichischen Stadt in der, der Maler
1944 starb, ausgestellt. Die gleiche Ausstellung
wird im Stadtmuseum in Bozen, wo der Maler 1895
geboren ist, von November 2008 bis Januar 2009
ausgestellt. Im Abstand von 74 Jahren, seit seiner
Herstellung, behält die Kollage ihre künstlerische
Besonderheit mit einer melancholischen Ader.
Die Familie von Marya dezimiert durch zwei
Kriege
Marya
war die Tochter des dr. Lorenz Janke,
Direktor des Staatslabors von Bremen,
geschätzter Chemie- und Botanikforscher,
großer Freund der Blumen, Schöpfer eines
Alpengartens, der sein ganzer Stolz war. Der
Vater starb 1906, frühreif mit 53 Jahren ,
so blieb sie gemeinsam mit ihrer Schwester
zurück, die beiden Jugendlichen wurden von
ihrer Mutter, Pauline, dem Konvent Meon
Misail in Neuchatel in der Schweiz,
übergeben um die Studien zu beenden.
Schon
als Kind besaß Marya eine schöne Stimme und
in Neuchatel bekam
sie
Gesangsunterricht und später führte sie den
Unterricht in Bayern fort. Sie wuchs im
kulturellen Milieu von Gauting auf, dem
Montmartre in München. Sie besaß eine
künstlerische und literarische Gewandtheit,
die vom Prof. Walter Georg Neitzel sehr
geschätzt wurde. Ihn heiratete sie 1913 und
brachte drei Kinder zur Welt. Er war ein
bekannter Jurist und Diplomat, er kannte
verschiedene Sprachen, hielt Konferenzen in
Boston, an der Universität von Harvard zum
Römischen Recht. Er war der rechtliche
Berater der Deutschen Gemeinschaft in China
Land, dass er mehr als einmal besuchte.
Offizier der deutschen Wehrmacht während des
ersten Weltkrieges, starb er in den Argonnen
am 17.Dezember 1918, sechs Monate vor der
Geburt seines dritten Sohnes. Ein Leben,
dass von Marya, durchkreuzt durch Zwei
Weltkriege, die ihre Familie dezimierte. Der
erste Krieg ließ sie als Witwe mit drei
Kindern zurück, sie musste ihren Besitz
zurücklassen und zog nach Herrsching, in
Bayern, mit der Mutter, die an der Erziehung
der Enkel teilnahm. Der zweite Krieg behielt
ihr noch ein viel grausameres Schicksal vor.
Sie verlor zwei ihrer Söhne, einer rettete
sich verletzt als sich die Tragödie schon
ihrem Ende neigte.
Letzten Briefe von Hess |
Brief
von Hess vom 22 Oktober 1944
aus Innsbruck an Marya, in München
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Letzter Brief von Hess vom 13 Nov. 1944
aus Innsbruck an Marya, in München
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Eine der
schönsten Zeiten ihres Lebens, war bestimmt
die Zeit zwischen dem Herbst 1925 und dem
Sommer 1933, als sich zwischen ihr und Hess
eine intellektuelle Wahlverwandtschaft
herauskristallisierte und natürlich spielten
auch Gefühle eine große Rolle sowie eine
erneut ruhige und familiäre Situation bei
ihr im Haus. Es war ein Mann im Haus, der
die Jugendlichen mit väterlicher Fürsorge
mitverfolgte. In diesen zehn Jahren
begleitete Marya, Hess öfters auf seinen
Reisen nach Italien und seinen Aufenthalten
auf Sizilien, in Messina. Sie schloss
Freundschaft mit der Schwester des Malers,
Emma und sie tauschten sich Briefe aus und der Schwager sowie die beiden Nichten,
nannten sie schon Tante.
Auf ihren
Konzertreisen quer durch Europa, begleitete
Hess sie seinerseits. Während einer der
Aufenthalte, im Herbst 1930 in Zürich,
stellte ihm Marya, Cecile Faesy vor, die
sich um den Verkauf seiner Bilder in der
Schweiz, kümmern würde. Sie konnte nicht
ahnen, dass die junge Frau ihre Rivalin um
das Herz von Hess werden würde. Tatsächlich,
in der Zeit in der Hess, die Kontakte aus
politischen Gründen mit München unterbrach,
fand er Exil in Sizilien, wohin ihm Cecile
oft hin schrieb. Sie wusste, dass die
Distanz zu Marya die Gefühle hatte abflauen
lassen und schrieb immer liebevollere
Briefe. Bevor er sich auf die Insel
zurückzog, war er nach Luzern gegangen, um
das Geld seiner verkauften Bilder entgegen
zunehmen, kurz darauf folgte Cecile Hess ihm
nach Messina und dort heiratete sie ihn. Es
war der 20. August 1934. Aber nur ein Jahr
später erlitt die Ehe eine Bruchlandung und
es kam zur Scheidung.
Die
tragischen Ereignis des Krieges wuschen die
Farben dieser bitteren Erfahrung nicht nur
für Marya, sondern auch für Hess weg. Sie
nahmen wieder Kontakt auf und schrieben sich
im Respekt einer tiefen Freundschaft, die
sie verband. Die letzten beiden Briefe, kurz
vor seinem Tod, als er in einem
Bombenangriff auf Innsbruck verletzt wurde,
wurden an Marya geschickt. Die Briefe
erzählen von Trauer, die durch den Krieg
verursacht wurde und von der Sorge Maryas,
die nichts mehr von ihrem Sohn Walter gehört
hatte und der als vermisst galt. In einem
Brief zeichnete sich Hess in einem
Krankenhaus, die letzte Skizze des Malers
und in dem anderen Brief beschreibt er die
beängstigende Situation in der er sich nach
dem Bombenangriff, am 20 Oktober 1944 unter
den Trümmer und von einem Freund verlassen,
befand. Die letzten beiden Briefe wurden
2002 von Frau Leonore Neitzel, Witwe von
Wolfgang dem ältesten der Söhne von Marya,
und einzigen Überlebenden unter den drei
Brüdern, dem Tirolerlandesmuseum
“Ferdinandeum”in Innsbruck geschenkt.
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